Autor: Ullrich Hoffmann, PerformeNet AG
Wenn die Geschäftsprozesse neu abgestimmt werden müssen
Heute nähern wir uns dem Ziel auf etwas ungewöhnlichen Wegen. Dazu gestatte ich mir
einen kurzen Rückblick auf meine Jugend. Meine Eltern führten ein Radio- und Fernsehgeschäft. Neugeräte waren damals teuer – oft kosteten sie mehr als ein durchschnittliches Monatsgehalt.
Das brachte uns dazu, gebrauchte Radio-Geräte in Zahlung zu nehmen, sie aufzubereiten und weiterzuverkaufen. Ein schöner Nebeneffekt: Wir Kinder hatten alle ein eigenes Radio im Zimmer. Es waren zwar keine neuen Geräte, aber bewährte Klassiker mit grossen Lautsprechern und satter Klangqualität. So entstand meine Leidenschaft fürs Radio. Während meiner Schularbeiten lief immer Musik im Hintergrund – ein treuer Begleiter, der jede Lebenslage bereicherte. Besonders angesagt waren BFBS, Radio Luxemburg und natürlich Radio Hilversum. Über diese Sender habe ich die Anfänge der Beatles hautnah miterlebt.
Am 23. November 1963, als das Album «With the Beatles» erschien und die Welt von der
Nachricht über die Ermordung Kennedys in Dallas erschüttert wurde, war das Radio mein Fenster zur Welt – ein unverzichtbares Medium, das mich tief prägte. Niemand konnte mich davon losreissen.
Warum dieser Spannungsbogen? Es geht um das Thema Erreichbarkeit, Informationssicherheit und Kundennähe. Brian Epstein, der legendäre Manager der Beatles, war fast nie erreichbar. Er war ständig unterwegs, immer im Sales-Prozess, um den Jungs neue Auftritte zu sichern. Ein ähnliches Muster zeigt sich in der Unternehmenswelt. Wenn die Führungsetagen der Konzerne in die Landesorganisationen reisen, verfolgen sie oft ein zentrales Ziel: Kunden sehen und mit ihnen sprechen. Denn nur, wer als Führungskraft direkt beim Kunden ist, kann deren Erwartungen, Sorgen und Anregungen ungefiltert aufnehmen.
Beispiele dafür gibt es viele: Ed de Castro von Data General, Larry Ellison von Oracle oder
Hasso Plattner und Henning Kagermann von SAP – sie alle verstanden sich als oberste Nachrichtenempfänger ihrer Kunden. Es ist daher kaum verwunderlich, dass Führungskräfte oft schwer erreichbar sind. Doch es gibt auch andere Gründe, wie ich bei meinen weltweit durchgeführten Performance-Audits und Management-Interviews festgestellt habe. Wenn Führungskräfte unerreichbar sind, weil sie ständig in Meetings sitzen, versprochene Rückrufe nicht einhalten oder schlicht vergessen, deutet
das auf verschiedene Probleme hin. Es könnte an unzureichend abgestimmten Geschäftsprozessen, Überforderung oder – weniger schmeichelhaft – an mangelnder Motivation oder Höflichkeit liegen. Vielleicht aber auch an einer gewissen Bequemlichkeit: der Vorliebe, den eigenen Bürostuhl warmzuhalten, anstatt aktiv nach Lösungen zu suchen.
Das mag gut gehen, solange die Nachfrage nach Weiterbildung nicht nachlässt. Doch was
auch immer die Ursache sein mag, es lohnt sich, diese Dynamiken genauer zu untersuchen.
Die negativen Folgen sind erheblich: Ein solches Verhalten schadet dem Image der gesamten Organisation, vergrault wertvolle Mitarbeitende und führt letztlich zu einem Verlust an Marktakzeptanz und Umsatz.
Handlungsempfehlung: Erreichbarkeit aktiv gestalten. Die Lösung beginnt bei der bewussten Gestaltung der Erreichbarkeit. Führungskräfte sollten sich regelmässig Zeitfenster blocken, in denen sie ausschliesslich für Kunden, Mitarbeitende oder wichtige Rückrufe verfügbar sind. Gleichzeitig gilt es, Meetings zu hinterfragen: Sind sie wirklich notwendig? Oder könnten Informationen effizienter auf anderen Wegen vermittelt werden?
Eine weitere Massnahme ist die Förderung einer Unternehmenskultur, die den direkten
Austausch und die Nähe zu Kunden und Mitarbeitenden wertschätzt. Führungskräfte, die diese Prinzipien leben, schaffen Vertrauen, stärken die Bindung an die Organisation und sichern langfristig deren Erfolg. Denn nichts ist wertvoller, als der direkte Dialog, der die Bedürfnisse der Menschen sichtbar macht – und diese in konkrete, positive Veränderungen übersetzt.
Zum PDF von Türchen 5.