Worin Googles Dilemma besteht und weshalb es bald auch eines für das digitale Marketing werden könnte
Zu OpenAI muss ich hier nicht mehr viel schreiben – es dürfte in aller Munde bzw. Rechner sein. Auch zu den Mängeln dieses statistikbasierten Chattools muss ich hier nichts anmerken; das haben andere schon ausführlich getan. Ich verfolge hier zwei Aspekte, die sich in der Zukunft sehr heftig auf unsere gewohnte Methodik auswirken dürften, Online-Marketing zu betreiben.
Die neue Bibliothek von Babel
Die Erzählung von Borges beschreibt eine Bibliothek, in der sämtliche mögliche Bücher stehen, die aus einer definierten Anzahl von Zeichen und einem definierten Zeichenumfang bestehen. Findige Mathematiker haben errechnet, dass die Bibliothek im Umfang den des aktuellen Weltalls übersteigen wird.
Weshalb zitiere ich hier diese Erzählung? Bekanntlich ist die Lebenszeit des Menschen begrenzt und seine Aufnahmefähigkeit ebenfalls. Selbst wer in seiner Zeit nur liest, wird nur einen begrenzten Lektüreumfang bewältigen können. Wohin könnte das exorbitante generative Potenzial künstlicher Intelligenz führen?
Der Maschinen-Text zwischen den Text-Maschinen
Chatbots gibt es ja schon eine Weile; sie beantworten mehr oder weniger einfache Kundenanfragen und entlasten so die Menschen im Callcenter. Gehen wir einen Schritt weiter: Die Einkaufsabteilung eines Unternehmens wird durch ein KI Tool ersetzt – und beginnt nun eine Kommunikation mit dem KI Tool möglicher Lieferanten. Die Kommunikation verläuft sozusagen in der Verborgenheit der digitalen Kanäle, an deren Ende dann der Mensch das Ergebnis erhält. Nur wie es zustande gekommen ist, wird er nie erfahren. Er hätte auch keine Zeit, den Textfluss inhaltlich nachzuvollziehen.
Auf der Suche nach der verlorenen Sichtbarkeit
Hier liegt nun Googles Dilemma – und das des herkömmlichen digitalen Marketing. Die Suchmaschine Bing scheint das Tool von OpenAI schon einzusetzen, wenn auch noch nicht in vollem Funktionsumfang.
Googles Dilemma – das hat die Zeitschrift Website Boosting in der Ausgabe 78 gut beschrieben – besteht darin, dass das Such- und Kommunikationsverhalten von Menschen sich deutlich von dem unterscheiden wird, wie sie derzeit eine Suchmaschine nutzen. Es ist ähnlich wie bei der Voice Search: Wo bleibt bei den Ergebnissen noch Platz für die Werbung? Googles Dilemma: Alle erwarten selbstverständlich vom Technologieführer bei Suchmaschinen den technologischen Einsatz von KI in der Suche. Und damit könnte das Hauptgeschäft von Alpha in Gefahr geraten.
Ein weiteres Dilemma besteht darin, dass Google künstlich erzeugten Content als Spam abqualifiziert. Und tatsächlich sollten Bildungsanbieter vorsichtig sein und Texte aus der KI inhaltlich und stilistisch überarbeiten. Wie lange aber wird es dauern, bis diese Texte einen kreativen und korrekten Habit erhalten und nicht mehr als künstlich erkannt werden können?
Und das Suchmaschinen-Marketing?
Gehen wir gedanklich noch einen Schritt weiter: Was wird denn aus dem Suchmaschinenmarketing, wenn sich das Suchverhalten der Einkäufer verändert? Ich darf einmal etwas prophetisch schreiben: Die Suche nach beruflicher Weiterbildung wird nicht mehr so formuliert sein: Powershell Grundkurs Hamburg. Vielmehr wird die Suchfrage etwa so lauten:
Suche mir Anbieter für einen Powershell Grundlagenkurs im Raum Hamburg, maximale Dauer 2 Tage, Höchstpreis 600 € pro Tag, der unbedingt folgende Inhalte haben soll: ….
Bange Frage: Was wird aus SEO und SEA, wenn die HR Abteilung das KI Tool auf Einkaufstour schickt? Haben sich die Anbieter beruflicher Weiterbildung dann ihre Mühen, die sie in SEO und SEA investierten, bald umsonst gemacht?
Quo vadis Bildungsmarketing?
Nehmen wir einmal an, dass mein Szenario der Suchmaschinenzukunft so oder so ähnlich aussehen wird. Was wäre denn die Konsequenz? Die Seite für alle Bots sperren und auf Markenexklusivität setzen? Mit KI noch mehr Content generieren, um möglichst alle möglichen Anfragen irgendwie aufzufangen?
Hier ist es doch an der Zeit, über einen konsequenten Markenaufbau als Bildungsanbieter nachzudenken. Und diese eigene Marke in den wesentlichen Content-Kanälen auch hartnäckig hochzuhalten. Schließlich bleiben immer noch die eigene Website mit einem gehaltvollen Blog, der Newsletter und die sozialen Kanäle von Facebook bis Youtube.