Autor Ulrich Hoffmann, PerformNet AG
Es fehlt an gut ausgebildetem, erfahrenem und engagiertem Personal – so lautet oft die
allgemeine Meinung. Das mag in vielen Fällen zutreffen, doch ist das wirklich das Kernproblem? Diese Fachkräfte wissen genau, was sie mitbringen und stellen berechtigte Anforderungen an potenzielle Arbeitgeber. Sollte die zentrale Frage daher nicht vielmehr lauten, ob es aus ihrer Sicht genügend Unternehmen gibt, die diesen Anforderungen gerecht werden?
Im Fokus stehen Themen wie Verantwortung, Kompetenzen, Mitsprache und ein
professionelles Arbeitsumfeld. Hinzu kommen moderne Arbeitsweisen, angemessene Gehälter und eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Ebenso wichtig ist das Image des Unternehmens: Ist es bekannt für moderne und innovative Ansätze? Verfügen die Führungskräfte über ein fachliches Renommee, von dem die Organisation und die Mitarbeitenden direkt oder indirekt profitieren können? Und wie sehen die langfristigen Marktprognosen aus?
Die entscheidende Frage, die sich Kandidaten stellen, lautet: „Kann ich bei diesem
Arbeitgeber besser sein als beim bisherigen? Habe ich mehr Freiheit, Neues einzubringen und schneller umzusetzen? Wird meine Leistung entsprechend gewürdigt – auch finanziell – und unterstützt dies meine Karriere?“
Spreche ich mit erfolgreichen Headhuntern, höre ich oft, dass vielerorts bereits der erste
Kontakt das Ende bedeutet. Der Grund: unprofessionelle Bearbeitungszeiten bei der Sichtung von Unterlagen, Fokussierung auf Nebensächlichkeiten, Interviews mit offensichtlich ungeübten Hobby-Psychologen und altmodische Fragen wie: „Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?“ oder
„Was sind Ihre Stärken und Schwächen?“ Was fehlt, ist ein fachlich fundiertes Gespräch auf
Augenhöhe. Stattdessen gibt es zu viel Bla-bla und zu wenig greifbare Inhalte – insbesondere klare Perspektiven, die aufgezeigt werden.
Top-Leute wollen gestalten, Ideen einbringen und diese zeitnah umsetzen. Sie sind bereit,
Verantwortung zu übernehmen, doch oft fehlen ihnen die dafür notwendigen
Entscheidungsfreiheiten – von einer Prokura ganz zu schweigen. Kein Wunder also, dass Top-Leute vielen Unternehmen nicht zur Verfügung stehen. Diese greifen dann notgedrungen auf weniger qualifizierte Personen zurück – sprich: auf die zweite Wahl oder darunter. Eine weitere Hemmschwelle ist das latente Misstrauen gegenüber neuen Ideen, Ansätzen und dem Unbekannten. Besonders in kleineren Organisationen mit einer schwachen, unerfahrenen und unsicheren Geschäftsleitung zeigt sich häufig die Angst vor einem schleichenden Kontroll- oder Sympathieverlust. Dies führt dazu, dass neue Vorhaben noch intensiver geprüft und hinterfragt werden – was eine zeitnahe Umsetzung erheblich verzögern kann. Die Folge können massive negative Auswirkungen auf die Stimmung im Unternehmen sein. Top-Leute erkennen dies oft schon im ersten Interview und winken dann einfach ab.
Gerade Konzerne legen grossen Wert auf die konsequente Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden und bieten entsprechende Programme an – fast immer ohne
Rückzahlungsverpflichtung. Ganz nach dem Motto: „Beide hatten ihre Chance.“ Für kurzfristige Programme ist das kein Problem, doch bei einem MBA oder vergleichbaren
Langzeitprogrammen, die oft eine Voraussetzung für Führungspositionen sind, bleibt die
Förderung häufig aus.
Ein Unternehmen, das Top-Leute gewinnen möchte, sollte sich also immer die folgenden
zentralen Fragen stellen und gut beantworten können:
- Bieten wir eine attraktive Vision und klare Perspektiven?
- Wie attraktiv ist unsere Unternehmenskultur?
- Erhalten Talente bei uns die nötigen Entscheidungsfreiheiten?
- Sind unsere Führungskräfte Vorbilder und Mentoren?
- Bieten wir wettbewerbsfähige und transparente Vergütungsmodelle?
- Wie flexibel und modern sind unsere Arbeitsmodelle?
- Kennen wir unsere Schwächen und arbeiten daran?
- Haben wir ein starkes Arbeitgeber-Image?
So weit, so gut, aber wie finden wir Top-Leute? - Nutzen wir die richtigen Kanäle?
- Setzen wir auf Empfehlungen und Netzwerke?
- Positionieren wir uns als Thought Leader?
- Arbeiten wir mit spezialisierten Headhuntern?
- Führen wir regelmäßig Talentpools?
Und wenn die Bewerbungen eintreffen, wie gehen wir mit ihnen um? - Reagieren wir schnell und professionell?
- Führen wir Interviews auf Augenhöhe?
- Bieten wir Klarheit und Transparenz?
- Präsentieren wir konkrete Perspektiven?
- Haben wir den Mut, auch Nein zu sagen?
Ein Unternehmen, das nicht nur seine Attraktivität für Top-Talente steigert, sondern auch die Suche und den Umgang mit Bewerbungen strategisch und professionell angeht, wird langfristig erfolgreich sein.
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