Türchen 19: Langjährige Erfahrung – Ein missverstandenes Siegel

Autor: Ulrich Hoffmann, PerformNet AG

Erfahrung allein genügt nicht. Sie ist ein Baustein, kein Garant für Exzellenz.

Wenn jemand von „langjähriger Erfahrung“ spricht, wirkt dies oft wie ein unantastbares Qualitätssiegel. 20 Jahre im Geschäft, drei Jahrzehnte im selben Beruf – das klingt stabil, verlässlich, erfahren. Doch die Verlockung, Erfahrung mit Kompetenz gleichzusetzen, birgt eine Tücke. Längst nicht jeder, der etwas lange tut, tut es auch gut. Denn Erfahrung, die nicht ständig hinterfragt, erweitert und mit aktuellen Entwicklungen verbunden wird, bleibt ein leeres, undefiniertes Irgendetwas.
Ein Bild, das wir alle kennen: der Handwerker, der „es schon immer so gemacht hat“, der
Lehrer, der seinen Unterricht seit Jahrzehnten gleich gestaltet, oder der Unternehmer, der an veralteten Strategien festhält. Hier zeigt sich: Erfahrung, die nicht von Fortschritt begleitet wird, gerinnt zu Gewohnheit. Ein starres Festhalten an der eigenen Routine führt zu Stillstand, nicht zu Erfolg.

Was macht Erfahrung wertvoll?

Erfahrung gewinnt erst dann an Wert, wenn sie aktiv gepflegt wird. Wer mit der Zeit geht, sein Wissen regelmässig aktualisiert, neue Methoden ausprobiert und die Ergebnisse seiner Tätigkeit kritisch reflektiert, schafft aus Erfahrung Kompetenz. Hierzu gehören:

  • Aktuelles Wissen: Entwicklungen verändern Berufe, Technologien und Anforderungen ständig. Ein erfahrener Experte, der nicht am Puls der Zeit bleibt, verliert die Fähigkeit, aktuell und relevant zu arbeiten.
  • Nachweisbares Können: Nicht die Dauer der Tätigkeit ist entscheidend, sondern das Resultat. Wer seine Erfolge messen und belegen kann, beweist den wahren Wert seiner Erfahrung.
  • Reflektierte Praxis: Nur durch kritisches Hinterfragen der eigenen Arbeit entsteht Verbesserung. Wer stillschweigend auf alten Mustern beharrt, verpasst die Gelegenheit zur Optimierung.
  • Ergebnisse aus Erfahrung: Erfahrung sollte sich in zählbaren, sichtbaren oder erlebbaren Ergebnissen niederschlagen – sei es durch erfolgreiche Projekte, Kundenzufriedenheit oder Innovationsbeiträge.

Routine ist kein Erfolg

Ein simples Beispiel verdeutlicht dies: Wer 20 Jahre denselben Fehler wiederholt, hat keine 20 Jahre Erfahrung, sondern denselben Tag 7300 Mal gelebt. Erfahrung allein legitimiert nichts – sie muss mit Lernbereitschaft, Erfolgsbelegen und Exzellenz verbunden sein. Längst ist klar: Es braucht mehr als Dauer. Es braucht eine Verbindung aus:

  • Fachwissen
  • Kompetenz,
  • Innovationskraft
  • und adaptierter Praxis.

Der Trugschluss der Selbstgefälligkeit

Wer sich ausschliesslich auf seine langjährige Erfahrung beruft, läuft Gefahr, selbstgefällig zu werden. Ohne stetige Weiterentwicklung verkommt Erfahrung zur leeren Hülle. Sie wird dann zur vermeintlichen Autorität, die keine Substanz hat.
Es gilt: Erfahrung allein ist kein Hinweis auf gut, besser, vorbildlich oder erfolgreich. Nur wer die eigene Erfahrung in den Kontext der Gegenwart stellt, sie mit modernem Wissen und belegbaren Erfolgen vereint, verdient das Vertrauen, das wir allzu oft dem schlichten Wort „Erfahrung“ entgegenbringen.

Ein neues Verständnis von Erfahrung

Langjährige Erfahrung sollte nicht als Auszeichnung, sondern als Potenzial verstanden werden. Es ist ein Rohdiamant, der durch ständige Weiterentwicklung geschliffen werden muss.

Denn Erfahrung ist keine Frage der Zeit, sondern eine Frage der Haltung.

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